The Evil Within

Ein weiteres Beispiel ist die etwas holprig aufgezwungene Restriktion bei Streichhölzern. Mit ihnen könnt ihr Leichen an Ort und Stelle verbrennen und so sichergehen, dass die niedergestreckten Gegner nicht nach wenigen Minuten wieder aufstehen. Im Laufe des Spiels artet diese Vorgehensweise dermaßen aus, dass man im Prinzip jede Leiche in Brand steckt und stellenweise verzweifelt neue Streichhölzer sucht. Okay, sicher ist sicher. Von den Streichhölzern findet ihr unter Umständen oft aber auch nur ein weiteres, was für sich genommen nachvollziehbar sein kann und sich trotzdem wie eine kleine Bestrafung anfühlt. Etwas lächerlich ist an dieser Stelle aber die Inventarbeschränkung. Als ob Sebastian an seinem Körper nicht irgendwo noch ein Streichholz unterbringen könnte, wenn er schon 10 Stück dabei hat. Stecke es dir hinter das Ohr, Junge!

Die Stärke der Nahkampfattacken könnt ihr mit dem hervorragenden Skill-Upgrade-System zumindest etwas verstärken, direkte Konfrontationen solltet ihr dennoch vermeiden. Ihr sammelt unterwegs grünes Gel ein und bekommt dafür Punkte auf euer Konto geschrieben, mit denen ihr regelmäßig eure Waffen aufwerten, eure Gesundheit verbessern oder Limits wie die Anzahl der maximalen Streichholzplätze im Inventar erweitern könnt. Regelmäßige Upgrades verleihen Sebastian also etwas bessere Überlebenschancen, dennoch erscheint ihr der Bedrohung konsequent hilflos gegenüberzustehen.

Überdosis Angst und Spannung

Großer Pluspunkt von The Evil Within ist die Atmosphäre. Eine abstoßende Szene jagt die nächste, der Spieler steht unter ständiger Spannung und die Angst vor blutrünstigen Schlachtern oder abgedrehten Killern mit Stacheldraht um den Kopf und Kettensägen in der Hand steigt in ihm auf. Genau SO muss sich ein Horror-Spiel anfühlen! Diese Angst und innerere Unruhe ist das, was Horror-Fans wollen, doch zuweilen fehlt es an der Kanalisierung oder Regulierung der besagten Gefühlsebenen. Höhepunkte und kurze Verschnaufpausen sind elementar wichtig für derart aufregende Titel wie The Evil Within. Die Aufteilung in Kapitel macht daher Sinn, der Einsatz der Boss-Fights jedoch nicht immer. Die Boss-Kämpfe sind packend und stehen dem abstoßenden Geschehen des restlichen Spiels in nichts nach. Die Stellen, bei denen es zu Boss-Kämpfe kommt, scheinen dennoch ziemlich zufällig gewählt zu sein. Mal steht man den großen Kalibern am Anfang eines Kapitels entgegen, mal in der Mitte und mal am Ende. Mal sind Kapitel zwei Stunden lang oder länger, mal benötigt man nur 30 Minuten. Der Aufbau eines Spannungsbogens fehlt und die Kapitel führen nicht gezielt zu einem Höhepunkt oder zu einem eintretenden Event am Ende des Kapitels. Spannung und Angst werden beim Spieler zu wenig gelenkt. Wo ist trotz Kapitelaufteilung die Struktur?

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Shit! Das ist geisteskrank!

Abstoßende und zugleich schaurig-schöne Umgebungen, ein ekelerregendes Gegnerdesign und stimmungsvolle Licht- und Partikeleffekte machen The Evil Within auch visuell zu einem Horror-Spiel, wie es sich Fans des Genres wünschen. Old-School-Horror bedeutet nämlich nicht, dass das Spiel auch aussieht wie 2005. Zwar ist die Kamera nicht immer optimal positioniert und manche Objekte wirken wirklich klobig, doch detaillierte Charaktermodelle und Gegner, deren Design aus der Feder geisteskranker Grafiker zu stammen scheinen, sorgen zusammen mit dem restlichen Art-Design, den Lichteffekten, Ekelmomenten wie blutenden Wänden oder engen und ranzigen Räumen für die perfekte Visualisierung des puren Horrors. Puren Horror feuert Tango Gameworks nämlich ohne große Verschnaufpausen auf den Spieler ab. Für eine cineastische Darstellung wird wie im Kino auf das Cinemascope-Format (21:9) gesetzt. Dadurch entsteht ein äußerst breites Bild, was allerdings in schwarzen Balken am oberen und unteren Bildschirmrand resultiert. Der klaustrophobischen Stimmung kommt das nur zugute, ist aber wohl auch ein Resultat der relativ schlechten Performance an einigen Stellen, bei der die Framerate spürbar einbricht. Die schwarzen Balken sparen also auch Ressourcen, denn der jeweilige Bildbereich muss nicht gerendert werden.

Auf Musikuntermalung wird überwiegend bewusst verzichtet, um den Spieler in eine Atmosphäre der totalen Einsamkeit zu ziehen. Das Sound-Design von The Evil Within lebt von den Umgebungsgeräuschen und den grunzenden Lauten der Gegner. So bekommt der Spieler sogar Angst, wenn er die Gegner noch nicht mal sieht. Leider liefern die deutschen Synchronsprecher oft eine grauenhafte Leistung ab und grauenhaft ist in diesem Zusammenhang mal nicht positiv gemeint. Die deutschen Stimmen bringen die ständige Bedrohung einfach nicht herüber, das Ganze klingt sehr unberührt und als seien die Texte auf einer Couch sitzend einfach vorgelesen worden. Wenn man vor einem Berg von Leichen steht, klingt die eigene Stimme nicht völlig ruhig und ausgeglichen. Schade! Umso ärgerlicher, dass wie schon erwähnt zwar die spanische, italienische und französische Synchronisation zur Verfügung stehen, nicht aber das englische Original.

Pro & Cons

Pros:

+ grandiose Atmosphäre
+ Survival-Horror der alten Schule
+ abstoßend schönes Art-Design
+ ekelerregende Umgebungen
+ ständige Spannung und Bedrohung
+ pure Angst
+ Ressourcen-Management ist überlebenswichtig
+ hervorragendes Skill-Upgrade-System
+ Crafting für verschiedene Munitionstypen

Cons:

- 08/15-Charaktere
- nicht immer perfekte Kamera
- teils fragwürdige Logik
- keine Regulation der Spannung
- einige veraltete Gameplay-Mechaniken
- miese deutsche Sprecher

Wertung

  • Grafik: 7/10
    7/10
  • Sound: 8.5/10
    8.5/10
  • Story: 7.5/10
    7.5/10
  • Atmosphäre: 9/10
    9/10
  • Umfang: 9/10
    9/10
  • Steuerung: 8.5/10
    8.5/10
  • Spaß: 8.5/10
    8.5/10
  • Gameplay: 8/10
    8/10

Closing Comment

The Evil Within von Shinji Mikami ist ein tolles Horror-Erlebnis, das an einigen Punkten jedoch zu sehr an Resident Evil 4 aus 2005 klammert, welches bis heute Mikamis größte Errungenschaft im Horror-Genre ist. Ein paar Elemente wirken gewollt kopiert, was prinzipiell keine schlechte Sache ist. The Evil Within wirkt dadurch allerdings wie der spirituelle Nachfolger zu Resident Evil 4, der aus dem Jahr 2005 in 2014 katapultiert wurde, ohne sich an die heutige Zeit anzupassen. Seit 2005 hat sich bei Videospielen und deren Mechaniken eben doch einiges verändert.

Die andere Seite der Medaille glänzt hingegen sehr schön, denn die starke Orientierung auf Horror-Spiele der früheren Jahre bedeutet auch weniger Fokus auf Action und dafür wieder mehr auf den Horror-Aspekt. Mikami und sein Team gehen stark in Richtung Ekel-Horror und lassen sich neben der Resident Evil-Reihe auch von der Silent Hill-Serie und anderen Horror-Spielen bzw. -Filmen inspirieren. Das sorgt für eine abstoßende und beklemmende Atmosphäre, die jeden Horror-Fan mit der Zunge schnalzen lässt. Zusammen mit dem überzeugenden Gunplay, einem ekelig-schönen Gegner- und Umgebungsdesign und der düsteren Stimmung überzeugt uns The Evil Within als Horror-Fans aber mit Leichtigkeit.

8.5/10

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